Der, die, das Heilige

Heiligkeit – die Normalität des Guten

Heute ist der Tag aller Heiligen: derer mit Heiligenschein und derer, die nicht kanonisiert wurden. Der Tag aller Heiligen: derer die heiter gelebt haben und sanft, ohne aufzufallen, und die am Ende ihrer Zeit dem Lamm folgen werden. Heute ist der Tag aller Heiligen: Heiliger Barbiere und heiliger Köche, Fußballspieler und wieso nicht – Kaufleute, Händler, Kupferschmiede und Platzanweiser (warum keine Platzanweiserinnen, wenn sogar öfter sie dem Zuschauer den Weg weisen?) Im Laufe der Jahrhunderte, in der Stille der Nacht und in der Helle des Tages, waren sie deine Zeugen; sagten sie Ja, ja und Nein, nein; verschwendeten Worte, wenige, redeten darum herum, schweiften ab. Sie ahmten dich nach, und in der Transparenz ihrer Taten wurde man deines Bildes gewahr. Mit Unternehmungsgeist und tapfer oder schüchtern und sanft hielten sie dich im Herzen, betrachteten die Welt mit Liebe und die Menschen als Brüder. Aus dem Boden, den sie betraten, spross die Hoffnung auf eine Zukunft der Gerechtigkeit und Rettung und ihre Gegenwart war schon fast nur noch Liebe. Unzählbarer Festzug von Männern und Frauen, die dir folgten und mit dir lebten auf bewundernswerte Weise: Mit den Hungernden brachen sie ihr Brot, betrachteten mit Mitleid die Schmerzen der Welt und wurden wegen ihrer Gerechtigkeit verfolgt. Sie waren reinen Herzens und daher quoll aus ihren Augen Reinheit und von ihren Lippen flossen Worte des Trostes. Sie liebten dich und liebten die Welt. Sie sangen dein Loblied und besangen die Schönheit der Schöpfung. Und beweinten den Schmerz derer ohne Hoffnung. Ihre Gesten der Empörung und ihre prophetischen Worte rissen lichte Horizonte auf. Das sind sie, die dem Lamm folgen, denn sie kannten dich und erkannten dich und empfingen von dir die Gabe, der Welt die Gerechtigkeit und die Rettung zu verkünden.

 

Maria de Lourdes Belchior (1925-1998)

 

Übersetzt in: José Tolentino Mendonca, Vater unser auf Erden. Herder Verlag Freiburg i.Br. 2013.

 

 

 

 

„WAS IST DIR HEILIG?“ von MARCO MICHALZIK

Woran denkst du, wenn du aufwachst am Morgen? Nein, ich mein noch vor dem Terminstress, der Planung, den Sorgen. Woran denkst du? Was ist dir wichtig? Was lässt dein Herz schneller schlagen? Welche Sachen, Dinge oder Menschen? Wofür würdest du kämpfen? Was würde dich auf die Straße treiben? Wofür würdest du Fahne zeigen? Worunter deinen Namen schreiben? Was ist dir wichtig? Ich meine, so richtig wichtig! Welcher Verlust würde dich unglaublich schmerzen? In welchem Takt pumpt der Beat deines Herzens? Vielleicht ist das Wortklauberei… kleinlich, irgendwie schon fast peinlich, doch die Frage ist doch: Was ist dir heilig? Was ist dir so unglaublich heilig, dass du selbst, allein, gegen dreißig Mann kämpfst und es mit deinem Leben verteidigst? Woran hängst du, was definiert dich? Was willst du nie mehr verlieren? Ich frage mich auch ständig, was mein Ziel ist, viel ist ja schon irgendwie vorgegeben! Und die Frage scheint nur, wie gut du in diesem Spiel bist! Es bleibt die Frage: Was ist dir heilig? Manchmal sagt eine Generation über die Nächste, dass ihnen nichts mehr heilig sei… Ist das vielleicht ein Beleg, dass das, was heilig ist, nicht heilig bleibt, sich entheiligt mit der Zeit? Ich glaube jeder Generation, jedem Menschen sind Dinge heilig. Auch wenn das freilich, nicht bei jedem gleich ist, dass weiß ich. Manchmal sind wir sogar kleinlich, sodass es Streit gibt. Aus dem Heiligen des anderen, kreieren wir uns ein Feindbild. Was ist dir wichtig? Ich meine, so richtig wichtig? Wen oder was vermisst du, wenn du allein bist? Gibt es etwas, dass dich zum Weinen bringt? Was ist dir heilig? Um welche Sonne dreht sich deine Welt und ist es das wert? Und mit „wert“ mein ich sicherlich nicht Geld! Aber was ist es, das dich in Atem hält? Und was heißt „heilig“ überhaupt? So ein altes, theologisches Fremdwort! Antiquiert und verstaubt. und ich weiß, dass ich glaub, oder glaub, dass ich weiß: Gott ist heilig. Und dass sich das zeigt! Dass sich sein Wesen spiegelt in seiner Schöpfung trotz ihrer Vergänglichkeit. Und so stehe ich zum Beispiel mitten auf Klippen am Rande des Meeres. Von Schönheit ergriffen, als ob sie eine Welle wär. Millionen von Kristallen als Sonnenstahlen auf Wasserbahnen fallen. Und während ich chille frage ich mich, ob Gott damit, auch ein bisschen angeben will Und ich kenne Künstler, Leute, die ich wirklich bewunder! Doch geht auf keinem ihrer Bilder die Sonne bunter unter, als sie es in Wirklichkeit tut. Und ich meine hier nicht gut, ich meine exzellent! Erinnerung der Augen, für die der Mund keine Worte kennt. Kein bloßes Gefühl, das ich, wenn ich dann geh, fühl. Mehr sowas wie Bewunderung, doch wie geht man mit Wundern um? Genießendes Staunen ob diesem Design! Der Fotoshop des Schöpfers ist so viel besser als meiner! Ein Topf schreibt vom Töpfer und bildet sich ein, dass die Sicht eines Tonstücks wichtiger erscheint. Und während ich hier stehe und seine Werke preise, zelebriere ich doch in Wahrheit den einen. Den Unvergleichlichen, den größten Künstler von allen, Schöpfer des Himmels und der Erde! Zeichner von Landschaften, die er mit seiner Hand schaffte! Maler von Sonnenuntergängen. Architekt des Grand Canyon und epischer Bergkämme. Designer von Blumen, Organismen und Tieren. Farbgeber für Blätter. Eiskristalle die frieren, reflektieren den Künstler, der sein Werk präsentiert. Und sein schönstes Kunstwerk schuf er in mir. Und es klingt fast verrückt, dass er sich selbst als Vorlage nahm für sein Kunstwerk, Poema, (für sein) Meisterstück. Ein Meisterwerk in der Tat, ein Unikat. Das der Meister selbst mit seiner Hand geschaffen hat. Er ist anders als der Standard, weil er die Welt in seiner Hand hat. Und wenn ich mir die Frage stelle: Was wär Gottes Antwort an der Stelle, auf die Frage: Was ihm wichtig ist, wofür sein Herz schlägt, was ihm heilig ist? Und es ist fast unglaublich, glaube ich. Weil du es bist! Weil ich es bin und das gibt mir Sinn und Bedeutung. Lässt mich mein Leben nicht vergeuden. Lässt mich leben hier und heute. Meine Sinne nicht betäuben. Ihm nahe zu sein, ist meine Freude. Ich mein ernsthaft, das ist schon sehr krass, dass er mich trotz aller Herrschaft auf seinem Herzen hat. Und weil es mich kennt und jedes Talent will ich nutzen und nicht verschwenden, was er in mich hineingelegt hat. Gottes Antwort auf alle diese Fragen ist dein Name. Geh gern noch mal zurück in der Zeit und setz bei jeder Frage als Antwort deinen Namen ein. Das ist Freiheit. Denn das treibt ihn um und mich an. Ihn kennenzulernen, ihn anzuschauen, ihm zu vertrauen. Und wenn ich weiß, dass ich sein Kunstwerk bin, macht es Sinn, mein Leben so zu leben, dass andere diese Schönheit sehen und verstehen. Heilig heißt hineinzugehen, in seinen guten Plan des Lebens! Und dann ist dieses Gebotsding auch irgendwie zu verstehen. Gott zu lieben mit allem, was mich ausmacht. Mit meinem Wesen und meinen Nächsten zu lieben, wie mich selbst. Ich bin ihm heilig, er ist mir heilig, du bist mir heilig!

 

 

 

 

Im Himmel wird es lustig sein

 

im Himmel wird es lustig sein

man trifft die alten Sünder

nur frisch gewaschen stubenrein

und viele viele Kinder

im Himmel wird man selig sein

mit Arbeit und mit Pause

und niemand überfordert ein'n

man kommt erfüllt nach Hause

im Himmel wird der Große klein

die abgehängten Seelen

die werden dann die ersten sein

die Selbstgerechten fehlen

im Himmel wird ein Staunen sein

man trifft nicht nur die Frommen

und wundert sich auch insgemein

wie bin ich reingekommen

 

Hans Werner Kube (entnommen der WAZ vom 15.08.2011)

 

 

 

 

Alle sind heilig...............