Da hilft nur beten - beten hilft?

Da hilft nur beten

Beten Sie? Mit kaum einer anderen Frage kann man Menschen so irritieren. Die Frage ist peinlich, die Antwort ist peinlich; es offenbart sich in dieser sprachlosen Peinlichkeit so etwas wie eine transzendentale Obdachlosigkeit. Beten gilt als kindlich und kindisch – weil das Gebet meist die erste frühe Begegnung mit dem Glauben war. Und doch sind die frommen Verse, die einem die Oma als Abendgebet gelehrt hat, auf zarte Weise vertraut geblieben. Oft ist Beten daher auch das Letzte, was Menschen in ihrem Leben tun. Alpha und Omega. Beten Sie? Die Frage gilt als Zumutung, die gestammelte Antwort ist meist auch eine – weil der der Beter weiß, dass Beten ohne einen Rest von kindlichem Urvertrauen nicht funktioniert. Beten ist Reden mit Gott, mit einem Wesen also, das nicht antwortet. Das ist naiv, das ist seltsam, das ist suspekt, das gilt als ein Überbleibsel der alten und unaufgeklärten Zeiten in einer säkularisierten Welt. Ist das wirklich so? Ist Beten praktizierte Unvernunft?( … ) Das Gebet ist lebendiger als die Kirchen, die es lehren. Es ist deswegen lebendiger, weil man die kirchlichen Lehren und ihre Hierarchie dazu nicht unbedingt braucht; andererseits hängen die Rituale auch daran, dass die Institutionen, die diese Rituale tradieren, weiter existieren. Das Beten gibt der Not eine Sprache, es vermeidet die Sprachlosigkeit in existenzieller Lage. Beten heißt: eine Sprache und eine Geste finden für Glück, Unglück und Wünsche. Da gibt es nichts, was man nicht sagen dürfte – bis dahin, dass der Beter seinen Gott schüttelt und anklagt: »Warum hast du mich verlassen? Warum? Wie lange?«, fragt er. Man erlegt sich keine Zensur auf im Gebet. Ist das Glaube? Das ist nicht wichtig. Man kann auch ungläubig beten. Wichtig ist: Wer Fragen stellt, resigniert nicht. Wer fragt, klagt, bittet, wer aufbegehrt – der hat schon angefangen, etwas zu unternehmen gegen das, was ihm und den anderen angetan wird.

 

HERIBERT PRANTL

 

(Der andere Advent 2016, Andere Zeiten e.V. Hamburg, 29.11.)

Aspekte zum Thema Beten

Wie geht Beten? 

Beten ist Dialog mit Gott. – Gott stellt uns die Frage: was möchtest du von mir….

Beten heißt auch Hören. – Im Gebet lassen wir Gott antworten. Beten ist Rhythmus

Traditionelle Gebetszeiten geben dem Tag eine Struktur, einen Tagesrhythmus. Rhythmus liegt auch in der Struktur des Gebetes, zum Beispiel im Rosenkranz. 

Rhythmus ermöglicht Ruhe, Besinnung, Reflektion.  Im Rhythmus des Gebets finden wir einen Rückzugsraum, Sicherheit und Verankerung auch in schwierigen Situation. Beten verändert den Betenden.

Im Gebet geht es vor allem um uns.  Durch das Gespräch mit Gott setzen wir uns in ganz besonderer Weise mit unseren Sorgen und Nöten auseinander und erhalten so neue Einsichten. 

Wenn wir z.B. zum heiligen Antonius beten, weil wir etwas verloren haben, führt das dazu, dass wir noch einmal über das Verlorene nachdenken. 

Wenn wir in der Kirche eine Kerze anzünden und beten, lassen wir nicht nur das Licht zurück, sondern wir können zugleich auch einen Teil unserer Sorgen dalassen.  Durch Beten kann ich Sorgen abgeben. Wann beten wir heute noch? 

Standardgebete vor dem Essen oder vor dem Schlafgehen werden kaum noch gebetet. Andere Gebete, die dem Tag Struktur geben, beten wir am ehesten noch in der Gemeinschaft mit anderen Gläubigen. 

Wir beten in Notsituationen. Wenn ein Flugzeugabsturz droht, ist es das Letzte, was ALLE im Flieger tun: beten. Wir beten bei Sorgen um einen lieben Menschen, vor schwierigen Aufgaben, wenn wir uns schuldig fühlen……… Hilft Beten?

Studien haben gezeigt, dass die Heilungschancen eines Patienten eher geringer sind, wenn er weiß, dass für ihn gebetet wird. Er lässt sich dann wohl eher hängen als der, der sich auf sich selbst gestellt fühlt. 

Wir fragen uns spätestens dann, ob Beten hilft, wenn es darum geht in den Himmel zu kommen, einer scheinbar ausweglosen Situation zu entkommen oder eine Not abzuwenden. 

Der Glaube an die Wirkung des Gebets, hängt davon ab, zu welcher Einschätzung wir tendierten: Alles ist vorherbestimmt oder Gott ist beeinflussbar! Inwieweit wir an die Vorherbestimmung glauben, hat mit dem individuellen Gottesbild zu tun. Wäre alles vorherbestimmt, hätte unser Gebet keine Kraft mehr.

Wenn wir beten, tun wir das, weil wir ein Grundvertrauen in Gott haben, wir hoffen.

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